„Als Linke Liste arbeiten wir gegen jeden Antisemitismus an der Uni und darüber hinaus. Wie ihr alle auch, verfolgten wir am 7. Oktober mit Entsetzen die Gräueltaten, die die Terroristen der Hamas an diesem Tag verübten. Daher möchten wir zunächst noch einmal unser Beileid für alle von diesen Gewalttaten betroffenen Personen bekunden.
Wir stehen an der Seite aller Jüdinnen und Juden im Kampf gegen Antisemitismus egal in welcher Erscheinungsform er auftritt. Und mit Entsetzen haben wir im letzten Monat aufs Neue festgestellt, dass dieser Kampf nicht nur gegen bürgerliche und Faschistische Strukturen, sondern nach wie vor auch gegen vermeintliche Antikapitalist:innen und selbsternannte Progressive geführt werden muss.
Denn obwohl es sich bei dem Terror vom 7. Oktober um das schlimmste antisemitische Pogrom nach der Zeit der Nazidiktatur handelt und die Hamas nur eine Woche später zu einem internationalen Tag des Zorns gegen Juden weltweit ausgerufen hatte, obwohl Häuser in denen Juden und Jüdinnen Leben in Berlin mit Davidsternen markiert wurden und die Zahl antisemitischer Gewalttaten weltweit sich auf einem Rekordhoch befindet, gibt es Strukturen die sich als „Links“ verstehen die diese Vorfälle nicht als Antisemitische Gewalt verstehen, geschweige denn bekämpfen.
Sie Verweisen stattdessen auf die Israelische Politik, die Gewalttätige Reaktionen provozieren würde und geben den Juden und Jüdinnen so eine Mitschuld an der Gewalt gegen sie. Hierbei handelt es sich um nichts anderes als Täter-Opfer Umkehr.
Juden und Jüdinnen werden immer wieder dazu genötigt eine Position zu Israel zu beziehen, denn wie unter anderem der Antisemitische Mob, der im Flughafen von Dagestan Jagd auf israelische Reisende machte oder der Mord an einer jüdischen Frau in Lyon im letzten Monat verdeutlichten ist mit den globalen Protesten gegen die Politik Netanyahus eben nicht nur Israel gemeint, sondern alle Juden – überall.
Statt Juden und Jüdinnen vor antisemitischen Übergriffen zu schützen, laufen selbsternannte Antiimperialist:innen, Antirassist:innen, Queere und Antikoloniale Strukturen und ein Teil der Klimabewegung Seite an Seite auf Demos mit Faschist:innen, Verschwörungsideolog:innen und islamistischen Rechten und wünschen sich die Abschaffung Israels.
Vor dem Hintergrund, dass die Afd, die eine Erinnerungspolitische 180 Grad Wende fordert in Deutschland bald stärkste Partei sein könnte und antisemitische Verschwörungstheorien spätestens seit den Aufmärschen der sogenannten Querdenker:innen mit offen faschistischen Forderungen verbunden wurden, vor dem Hintergrund, dass Hubert Aiwanger und sein rechter Wahlverein von den bayrischen Wähler:innen mit einem Zuwachs an Stimmen belohnt wurden nachdem ein Flugblatt aus Aiwanger Schulzeit auftauchte auf dem der Holocaust verherrlicht wurde, vor diesem Hintergrund ist diese Reaktion Linker und linksliberaler Gruppen sich munter an einer Querfrontbildung gegen Israel zu beteiligen nichts anderes als ein weiterer Ausdruck des gesamtgesellschaftlichen Rechtsdralls.
Statt den Rechten Mob zu bekämpfen Reihen sie sich hier und weltweit in ihre Demos ein. Dagegen sind emanzipatorische Demos, die sich gegen das Verbot der PKK oder gegen die Erhöhung von Mietpreisen aussprechen deutlich schlechter Besucht. Im Gegensatz zu denen die glauben, dass „from the River to the sea“ eine Linke Parole ist, kennen die Anhänger Erdogans und des Regimes im Iran den Unterschied sehr genau.
Es ist kein Zufall, dass Erdogan Kurdische Organisationen Unterdrückt und den Terror der Hamas als Freiheitskampf bezeichnet und es ist kein Zufall, dass der Iran diesen Terror Maßgeblich finanziert und gegen kurdische Menschen im eigenen Staatsgebiet vorgeht.
In ihrer Sehnsucht nach der Masse gehen Linke aktuell mit jedem noch so wahnsinnigen Erdogan Anhänger gemeinsam auf die Straße. Mit den gleichen Leuten, die feiern wenn das türkische Militär Bomben auf Rojava wirft feiern sie die Raketen auf Israel als Befreiungskampf. Gemeinsam mit den Leuten, die den feministischen Freiheitskampf im Iran unterdrücken rechtfertigen Queere Gruppen die Vergewaltigung von Frauen als Akt des Widerstandes.
Der Vorwurf des Antisemitismus wird dagegen als antideutscher Spaltungsversuche abgetan.
Kundgebungen gegen Israelische Politik werden vor Synagogen abgehalten und der Terror der Hamas wird nicht konsequent verurteilt, sondern immer wieder eingeordnet und kontextualisiert, statt als solcher benannt. Worauf laufen Parolen wie „from the river to the sea“ also in Israel hinaus: Auf einen weiteren Staat in dem Jüdisches Leben nicht sicher ist!
Solange das verhängnisvolle Bündnis zwischen Klimaaktivis:innen und Verschwörungsideolog:innen, zwischen vulgären Antiimperialist:innen und Grauen Wölfen, zwischen Queer Studys und Islamistischer Ideologie besteht, sind „linke“ und „progressive“ Strukturen kein sicherer Ort für Juden und Jüdinnen.
Es erklärt sich von selbst warum sie in diesen Kontexten selten zu finden sind geschweige denn sich trauen ihre Meinung zu äußern.
Es handelt sich auch um unsere Kontexte!
Die Situation in Nahost können wir nicht unmittelbar beeinflußen. Doch die antisemitische Bedrohungslange hier vor Ort haben wir in der Hand.
Um dem emanzipatorischen Anspruch nach einem sicheren Umfeld für Juden und Jüdinnen gerecht zu werden reicht es aber nicht alle paar Monate Solidarität mit von Antisemitismus Betroffenen zu äußern: Wer antifaschistisch handeln will muss Konsequenzen ziehen!
Wir erwarten daher von Antifaschist:innen, dass sie nicht gemeinsam mit Verschwörungsideolog:innen, Querdenker:innen, Grauen Wölfen und Islamist:innen demonstrieren, sondern sich ihnen entgegenstellen.
Wir erwarten, dass Antisemiten nicht in Klimacamps eingeladen werden um Vorträge zu halten. Und das sie nicht Teil von Awarenes- und Social Media Teams sind. Das sie aus Telegram und Signalgruppen entfernt werden.
Wir erwarten, dass ein Verständnis dafür entwickelt wird, dass Juden und Jüdinnen sich nicht sicher fühlen können, wenn in ihrer Gegenwart Kleidungsstücke getragen werden, die ein Symbol des Terrors gegen Israel sind.
Wir erwarten, dass Leuten widersprochen wird wenn sie sagen, dass Antisemitismus nur eine Unterkategorie von Rassismus ist und ihnen erklärt wird, dass es sich um eine eigene Diskriminierungsform handelt, die klar zu unterscheiden und als solche zu bekämpfen ist.
Wir erwarten, dass eine Konsequente Solidarisierung mit dem Freiheitskampf im Iran stattfindet und sich dementsprechend von Lakaien des Mullah Regimes – und nichts anderes ist die Hamas – konsequent distanziert wird.
Wir erwarten, dass Queere Aktivist*innen sich selbsverständlich gegen eine Terrororganisation positionieren, die sich die Vernichtung von queerem Leben ebenso auf die Fahne geschrieben hat wie die von jüdischem.
Wir erwarten, dass wir alle uns mit Vorwürfen kritisch auseinandersetzen, statt immer wieder zu behaupten das bösartige Antideutsche mit Kritik nur nerven und spalten wollen.
Wir erwarten, dass Antifaschist:innen die Singularität der Shoah anerkennen.
Und wir erwarten, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten Juden und Jüdinnen einen Raum in unseren Strukturen zu geben, so wie anderen Unterdrückten auch.
Kritik an Antisemitismus muss endlich praktisch werden!„