Benjamin Ortmeyer

Ich habe die Chance hier kurz zu reden, denn das ist der zehnte Redebeitrag, da schon viel gesagt wurde und auch einiges wiederholt gesagt wurde. Wir haben Zitate gegen Judenfeindschaft gehört und wir sind uns alle einig, dass die Hamas eine verbrecherische Söldnertruppe ist. Ich möchte auf drei andere Punkte eingehen.

1. Über falschen Kontext

Ich habe mit Interesse beobachtet wie aus der Mitte der Gesellschaft und dem Feuilleton nach dem 7. Oktober (auch auf der Buchmesse) die Forderung nach dem Kontext erhoben wurde. –Ich würde übrigen Judenfeinden, die sagen, sie sind links, das nicht glauben, sondern von Pseudolinken reden, nur mal so nebenbei.  Die Feuilleton-Leute haben tatsächlich nach diesem Massaker unmittelbar gesagt wir müssen doch den „Kontext“ sehen. Ich möchte was zu Kontext sagen und zwar durch ein kleines Beispiel, was vielleicht erklärt, dass es bei deren Forderung noch Kontext gar nicht um Kontext geht, sondern um Schuldzuweisung.

Als Pädagoge habe ich mitbekommen, dass eine Schülerin mit einer Reitpeitsche von der Mutter ausgepeitscht wurde und ich bin zur Polizei gegangen, um das anzuzeigen. Und die Polizistin nahm die Anzeige nicht an und sagte: „Sie wissen ja gar nicht, warum das Mädchen geschlagen wurde!“

Die das ist genau die Erfahrung, die ich gemacht habe, nach diesem Massaker am 7. Oktober, wenn die Leute gesagt haben, wir müssen nach den Umständen, nach dem Kontext fragen. Diese pseudowissenschaftlichen Eierköpfe haben überhaupt nicht verstanden, was ein Kontext ist.

Ein Kontext muss nach den wirklichen Ursachen fragen.

2. Über den wirklichen Kontext

Wir müssen einfach verstehen, warum und wieso Israel eigentlich gegründet wurde und das seit der Gründung, und schon davor, die Vernichtung der jüdischen Leute durch arabische Staaten und durch ein Teil der Palästinenser gefordert wurde. Schon 1936. Da hat der Groß-Mufti von Jerusalem finanzielle Hilfe von den Nazis angenommen. Er war später selbst in der SS, hat an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Osteuropa mitgewirkt und war nach 1945 wie viele alte Nazis ins Exil in arabische Staaten gegangen.

Es wird immer geredet über die Vertreibung der Palästinenser 1948. Ich möchte hier klarstellen: Fünf arabische Staaten haben das neu gegründete Israel nach dem 15. Mai 1948 angegriffen. Und ein Teil der Palästinenser haben sich diesen Angriff auch im bewaffneten Kampf angeschlossen. Und in diesem Krieg, in dem es um die Existenz der jüdischen Bevölkerung in Israel ging, in diesem Krieg sind eine große Zahl von palästinensischen Leuten in die ihnen eigentlich von der UNO zugewiesenen Gebiete gekommen, die dann Ägypten und Jordanien okkupiert haben.

Seit dieser Zeit haben arabische Staaten immer und heute auch noch der Iran die Vernichtung von Israel gefordert. Und das ist der Hauptpunkt für alles, was Israel Staatsregierungen, was Israels Armee richtig oder falsch gemacht haben.

Dahinter stand immer eine große Frage: Sollen wir uns wehren? Wehren wir uns so massiv, sodass die arabischen Staaten – und der Iran heute – , die Israel vernichten wollen, – davon abkommen? Und das ist eine Frage der Stärke und nicht eine Frage des Redens oder des Dialogs.  

Die Massaker am 7. Oktober dieses Jahres haben gezeigt, dass die Gruppen um Hamas als Ziel ein faschistisches Regime wie im Iran haben. Und sie haben weltweit bewiesen, dass ihn darum geht, so viel jüdischem Leute wie möglich an einem Tag zu ermorden. Und diese Botschaft ist hier in Deutschland nicht wirklich angekommen -das sind die Tatsache – auch wenn hier mal 1000 oder 2000 oder 3000 Menschen mit der jüdischen Gemeinde demonstriert haben.

3. Warum die Nazis von „Judengenossen“ redeten

Als Professor an der Goethe Universität habe ich die Forschungsstelle NS-Pädagogik geleitet und habe mich sehr ausführlich mit Goebbels Propaganda und den Zeitschriften in der NS-Zeit auseinandergesetzt. Und mir ist aufgefallen, dass die Nazis damals immer reden mussten von den „Juden und den Judengenossen“.

Das war nötig aus Sicht der Nazis, denn es gab immer auch wirkliche Linke, vor allem vor 1933, aber auch in der NS-Zeit, die an der Seite der jüdischen Bevölkerung gestanden haben. Und die Nazis haben diese Leute als „Judengenossen“ bezeichnet.

Vielleicht können wir in diesem Fall die Sache rumdrehen und sagen: Das ist ein Ehrenname, wenn wir als Nicht-Mitglieder der Jüdischen Gemeinde mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde hier zusammenstehen und die, die nicht Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind, dann als „Judengenossen“ gelten. 

In diesem Sinne: Solidarität!