Offener Brief und Protest: Daniele Ganser 2024 wieder in der Stadthalle Offenbach
Daniele Ganser kann im Mai 2024 wieder Verschwörungsmythen, Antiamerikanismus und Antisemitismus in städtischen Räumen verbreiten. Nachdem der erfolgreiche Verschwörungideologe bereits im letzten Jahr auf seiner Vortragstour trotz der Kritik diverser Gruppen die Offenbacher Stadthalle nutzen konnte, hat es die Stadt erneut versäumt, Nutzungsauflagen zu erarbeiten, die ein weiteres Auftreten verunmöglicht hätten. Die antifaschistische Initiative 7. Oktober protestiert gegen den Auftritt und ruft die Stadt Offenbach dazu auf, einen Auftritt – erst recht in diesem Jahr – zu verhindern und künftig Nutzungsauflagen für städtische Räume zu erarbeiten.
Im letzten Jahr wurde bereits auf die weithin bekannte antiamerikanische und antisemitische Verschwörungsmystik, Gansers Zusammenhang mit Querdenken, sowie seine Nähe zur russischen Staatspropaganda hingewiesen. Nach wie vor muss Apologeten antisemitischer Propaganda der öffentliche Raum entzogen werden, anstatt sich bloß im Anschluss an sich immer stärker häufende Vorfällen mit ihren Opfern zu solidarisieren. Wir verweisen dazu auf den offenen Brief aus dem Februar 2023, der hier verfügbar ist. Die Rechtfertigung der Stadt, dass eine Absage eine Diskriminierung oder ein Verbot darstellen würde, war schon im letzten Jahr nicht haltbar. Auch hierzu wurde noch im Februar 2023 von Offenbach Solidarisch (LOS), einer der unterzeichnenden Gruppen, Stellung bezogen.
Ganser bezeichnet hinaus in der Zwischenzeit in einem Interview mit dem Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 nicht nur als „Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis“, sondern mutmaßt im Massaker eine Art False Flag-Operation. Dieses besagt der israelische Ministerpräsident Netanjahu habe das Massaker bewusst herbeigeführt, um einen Einmarsch in Gaza zu legitimieren und Protesten vorzubeugen. Historische Vorbilder will er dabei bei dem Angriff auf Pearl Harbor sehen. Wie üblich spricht Ganser hier bestehende Verschwörungsmythen mehr oder weniger suggestiv an; eine Vagheit mit weitem Spielraum für die Interpretation der Geschehnisse, die einer bekannten antisemitischen Denkstruktur entspricht. Der Spielraum wird mit dem Geraune über den vermeintlichen Nutzen für westliche Geheimdienste oder zionistische Strippenzieher gefüllt. Natürlich könnten hinter allem auch dunkle Banken und Kreditgeber*innen im Schatten lauern.
In der Zwischenzeit ist auch großen Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit das gefährliche Potential des Rechtsrucks offenbarer geworden. Verschwörungsmythen sind essentieller Bestandteil einer politischen Rechten, die sich regierungskritisch wähnt, und ihren Anhänger*innen ein einfaches Weltbild mit klaren Feinden präsentiert. So ist der personelle Schulterschluss zwischen Persönlichkeiten der Szene mit dem Neonazismus nicht verwunderlich. Der selbsterklärte „Friedensforscher“ Daniele Ganser teilte sich das Podium schon mit bekannten Gesichtern der rechten und neonazistischen Szene wie Jürgen Elsässer oder dem Kopf der Wehrsportgruppe Hoffmann, aus deren Reihen mehrere rassistische und antisemitische Morde begangen wurden.
Die für ihre Verbindungen zu Propagandist*innen von Verschwörungsmythen und Reichsbürger*innen bekannte autoritäre Sekte Bhakti Marga mit Sitz in Kirchheim im Taunus ist am Vorabend Veranstalterin für die Show Gansers. Hier zeigt sich erneut die Verbindung zu einem rechten und esoterischen Milieu.
Die Vergabe der Offenbacher Stadthalle stellt keinen Einzelfall dar. Es besteht ein allgemeines Problem mit der Vergabe von städtischen Räumlichkeiten. Zu oft wird antisemitischen Verschwörungideolog*innen Zugang zu Räumen gegeben, wo diese als Teil eines akzeptablen Diskurses erscheinen. Schlimmstenfalls tolerieren Gemeinden unter dem Vorwand,eine gleichberechtigte Vergabe solle ermöglicht werden, die Verbreitung von antidemokratischen und menschenverachtenden Ideologien. Bestenfalls allerdings sagen Städte mit der in ihrer Macht stehenden Verfügung über ihre eigenen Räume und im Zweifel unter finanziellen Verlusten Veranstaltungen, wie die mit Ganser, ab. Das Beispiel der Absage von Gansers Vortrag in der Dortmunder Westfalenhalle zeigt, dass Absagen durch Gemeinden möglich sind. Noch sinnvoller wäre es, Konsequenzen für zukünftige Vermietungen zu ziehen und diese nachhaltig in Form von Satzungsänderungen zu etablieren. Die Stadt Offenbach hatte ein Jahr Zeit, derartige Bedingungen zu schaffen, was offensichtlich nicht passiert ist.
Wir empfinden es als besonders unerträglich, dass sich die Stadt Offenbach auch dieses Jahr darauf berufen will, dass eine Absage aufgrund des Vergabeverfahrens ihrer Räume nicht möglich sei. Es bestand genug Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, die verhindert hätten, dass ein weiteres Mal Ganser eine Bühne in öffentlichen Räumen geboten wird. Es wäre ein Zeichen gewesen, dass das auch in Offenbach oft geäußerte städtische Eintreten gegen Rechts, gegen Antisemitismus und gegen Verschwörungsideologie nicht nur luftleere Worte sind.
— Wir rufen zum Protest gegen Verschwörungsideologie und den Auftritt Gansers am 15.05.2024 um 19:00 vor der Stadthalle Offenbach auf. Erscheint zahlreich zu unserer lauten Kundgebung, um den Auftritt nicht unwidersprochen zu lassen! —
- [abg] – Antifaschistische Basisgruppe Frankfurt am Main/Offenbach
- Initiative 7. Oktober
- Offenbach solidarisch (LOS)
- Omas gegen Rechts FFM
- VVN-BdA Offenbach